Erkenne schädlicher Denk- und Verhaltensweisen

Es gibt viele Denk- und Verhaltensweisen, die eigentlich hilfreich sein sollen, aber stattdessen dein Leben schwerer machen. Stimmen in deinem Kopf, Motivationsposter, wohlmeinende Menschen … es gibt vieles, was oberflächlich gut klingt, aber in Wirklichkeit schädlich ist.

Um mich kümmere ich mich später, erst mal die wichtigen Sachen

Zuerst mache ich den Abwasch und die Wäsche, Yoga kann ich später machen. Erst kaufe ich ein und koche, meine Serie sehe ich später. Erst packe ich die Geschenke ein, dann kann ich spazieren gehen. Zuerst erledige ich die wichtigen Dinge, der Spaß kommt später. Kommt dir das bekannt vor? Bei mir ist es genauso.

Aus irgendeinem seltsamen Grund betrachte ich Selbstfürsorge als eine Belohnung für erledigte Aufgaben. Der Spaß kommt nach den wichtigen Dingen. Das haben wir gelernt, seit wir Kinder sind: Erst die Hausaufgaben machen, dann spielen.

Das ist falsch. Sag es ruhig laut: „Das ist falsch“.

Selbstfürsorge ist keine Belohnung. Selbstfürsorge ist Arbeit. Selbstfürsorge ist ein Grundbedürfnis. Sie ist nicht von gutem Benehmen abhängig. Selbstfürsorge ist genauso wichtig wie Essen und Schlafen. Und ja, ich neige dazu, am Schlaf zu sparen, wenn ich viel zu tun habe, weil ich ja später schlafen kann. Daran muss ich arbeiten.

Wenn du die wichtigen, notwendigen Dinge zuerst tun willst, beginn mit der Selbstfürsorge. Nur weil sie keinen festen Termin hat, keine unmittelbaren negativen Auswirkungen, wenn du sie einmal auslässt, ist sie nicht weniger wichtig und nicht weniger dringend. Es gibt immer etwas anderes, das später ansteht.

Es ist zu dunkel, um raus zu gehen, du bist zu müde für Sport, du hast zusätzliche Aufgaben zu erledigen oder verbummelst dich einfach im Internet. Wenn du dich erst später um dich selbst kümmerst, wird aus „später“ oft „nie“.

Übung: Kümmere dich um dich selbst. Jetzt sofort. Nein, nicht nachdem du das Kapitel beendet hast, sondern jetzt. Das kann etwas ganz einfaches sein, wie dich selbst daran zu erinnern, dass du ein erstaunlicher Mensch bist und stolz auf dich sein kannst. Oder ein Anruf bei einem lieben Menschen. Oder ein heißes Bad. Was immer jetzt gut klingt.

Das ist nicht so schlimm, das stecke ich weg.

Wie oft heißt es: „reg dich nicht so auf“, oder: „jetzt mach aus einer Mücke keinen Elefanten“, oder „jetzt stell dich nicht so an“. Falls dir das noch niemand gesagt hat: Wenn du dich darüber aufregst, ist es nicht nichts. Wenn dich etwas verletzt, ist es erwähnenswert. Deine Gefühle zählen.

Ja, du könntest es einfach gut sein lassen. Und ja, manchmal habe ich einfach nicht die Kraft, etwas zu sagen. Und das ist in Ordnung. Was immer gerade die beste Option ist – aber auf lange Sicht können sich kleine Ärgernisse summieren, bis aus einer Stichelei ein Streit wird. Bis ein blöder Spruch einer zu viel ist. Bis du entweder zusammenbrichst oder in die Luft gehst, was beides nicht schön ist.

Tu dir und anderen einen Gefallen und  sprich so schnell wie möglich darüber. Warte nicht, bis es dir schwer fällt, sachlich zu bleiben. Du bist es wert. Du verdienst es, glücklich zu sein. Du verdienst es, gesehen und gehört zu werden.

Geh erstmal zur Schule, wenn du dich immer noch krank fühlst, kannst du früher nach Hause kommen.

Ein Klassiker. Ich halte mich immer noch an diese Regel, wenn ich mich an einem Arbeitstag krank fühle. Mich krank zu melden, ist schwer. Es fühlt sich immer an, als wollte ich mich drücken, es sei denn, es ist etwas messbares, klar erkennbares. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich meinen Arzt gebeten habe, mich nicht krank zu schreiben. Die Zeiten, in denen ich entweder unter Schmerzen oder schwitzend mit Fieber im Büro saß, mir die Lunge aus dem Leib gehustet oder einfach den ganzen Tag am Schreibtisch geweint habe. Tage, an denen ich wirklich nichts sinnvolles leisten konnte. Tage, die mir nicht gut getan haben. Tage, an denen ich den Rest des Büros angesteckt habe und wahrscheinlich auch eine Reihe von Leuten im Bus. Tage, an denen ich andere von der Arbeit abgehalten habe, weil sie sich Sorgen um mich gemacht haben. Tage, an denen ich für niemanden eine Hilfe war, obwohl dies der einzige Grund war, warum ich überhaupt ins Büro gegangen bin.

Eigentlich weiß ich, dass es besser ist, früher für ein oder zwei Tage zu Hause zu bleiben als später für zwei Wochen auszufallen. Eigentlich weiß ich, dass es besser ist, meine Viren für mich zu behalten. Mein Verstand weiß, dass es keinen Sinn hat, zur Arbeit zu gehen, nur um den Stuhl warm zu halten. Aber ich gehe trotzdem hin. Und wenn ich mich doch krank melde, fühle ich mich schuldig.

Sollte ich jemals rausfinden, wie ich das überwinde, sage ich Bescheid. Bis dahin sage ich dir einfach: du darfst zu Hause bleiben. Du darfst zu Hause bleiben. Du darfst zu Hause bleiben.

Und wenn du mehr als das brauchst: Wenn du dich krank fühlst, bitte eine*n Freund*in um Erlaubnis, dich krank zu melden, wenn du es nicht in eine Praxis schaffst. Wenn doch: Bitte um eine Krankschreibung. Auch wenn es „nur“ um „Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen und fühle mich schrecklich“ geht.

Wenn du ewegen chronischer Schmerzen oder psychischer Erkrankungen in Behandlung bist, bekommst du wahrscheinlich eine Krankschreibung, wenn du sagst, dass du gerade eine schlechte Phase durchmachst. Psychische Gesundheit ist wichtig. Manchmal braucht man eine Pause, um sie wiederzuerlangen oder zu erhalten.

Übung: Atme tief ein. Sag dir laut: „Meine Gesundheit ist wichtig. Mein Wohlbefinden ist wichtig. Ich darf mich um mich kümmern.“

Trauma in den Medien

Das regt mich immer mehr auf. Wenn ich eine Geschichte sehe, höre oder lese, in der eine Figur ein Trauma erlebt hat, wird dies oft in einer Weise behandelt, die unrealistische Erwartungen weckt.

Die Figur meditiert vielleicht, um die Wurzel ihres Problems zu erkennen. Sie weint sich aus und ist dann plötzlich in der Lage, sich zu öffnen und anderen Menschen zu vertrauen. Sie muss nur darüber sprechen, dass ihr Vater in einem Feuer starb und kann damit ihre Angst vor Feuer ablegen und ein Kind aus einem brennenden Gebäude retten. Einmal überwunden, bleibt das Problem überwunden. Im wirklichen Leben funktioniert so etwas nicht, zumindest nicht für mich.

Es kann helfen zu erkennen, woher die Probleme kommen. Aber Wissen ist nicht gleichbedeutend mit Überwindung. Es braucht Geduld, Arbeit und Wachsamkeit, vielleicht eine Therapie, vielleicht sogar Medikamente. Und selbst dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du nie ganz „geheilt“ wirst. Du wirst höchstwahrscheinlich Rückfälle erleben. Du wirst Rückschritte machen. Du wirst kämpfen, du wirst stolpern, du wirst fallen, du wirst wieder aufstehen, du wirst deine Wunden lecken.

Es ist schädlich, wenn psychische Erkrankungen oder chronische Schmerzen als etwas dargestellt werden, das man einfach überwinden kann, denn so wird es schwieriger, sich und anderen zu erklären, warum es bei einem selbst so lange dauert und warum man nicht schon wieder gesund ist oder warum man nicht einfach gesund *bleibt*. Es gibt kein „glücklich bis ans Lebensende“. Es gibt kein ein für alle Mal erledigt.

Es wird leichter und bessere Bewältigungsstrategien helfen. Es wird auch schwerere Zeiten geben, dann bessere. Es ist komplexer, als dass es in einen 90-minütigen Film passen würde. Oder, na ja, 120 Minuten, denn niemand macht mehr 90-Minuten-Filme. Selbst die Liebe kann nicht alles überwinden. Sie ist eine große Hilfe und macht für einige das Leben schöner, aber sie macht einen Menschen nicht gesund. Die Erwartung, dass sie das tut, setzt eine Beziehung unter einen enormen Druck, der wahrscheinlich mehr schadet als nützt.

Übung: Sag dir, dass du genug bist. Sag dir, dass Rom nicht an einem Tag erbaut wurde, und dass es in Ordnung ist, Zeit zu brauchen. Sag dir, dass du daran arbeitest.

Gibt es eine spürbare Verbesserung im Vergleich zum letzten Jahr oder vor zwei oder drei Jahren? Schläfst du besser? Hast du ein Hobby angefangen? Fühlst du dich besser? Freu dich über die Verbesserung.

Geben ist besser als nehmen

Jeder kennt den Satz. Aber ist er wahr? Ist er gesund? Weder noch.

Warum?

Zunächst einmal funktioniert das eine nicht ohne das andere. Man kann nichts geben, wenn es niemanden nimmt. Man kann nichts nehmen, wenn es niemand gibt. So einfach ist das. Zu sagen, das eine sei besser als das andere, wäre so, als würde man sagen, Einatmen sei besser als Ausatmen. Man muss das eine tun, um das andere tun zu können, die beiden funktionieren nicht getrennt voneinander. Selbst wenn man es trennen könnte, wäre geben nicht besser.

Sicher, es ist edel, zu teilen und zu geben. Und es ist schön, in der Lage zu sein, das zu tun.

Es ist oft nicht leicht, etwas wirklich anzunehmen, vor allem wenn man es dringend braucht und sonst nicht hätte bekommen können. Das kann mit Scham, Schuldgefühlen und Verlegenheit verbunden sein. All das zu überwinden, um etwas wirklich anzunehmen, ist schwer. Sich vielleicht sogar zu überwinden, um etwas zu bitten, ist noch schwieriger.

Schenken ist oft viel einfacher. Geben bedeutet, die Kontrolle über die eigenen Ressourcen zu haben. Nehmen oder Akzeptieren bedeutet, die Ressourcen zu brauchen. Geben geschieht also aus einer Position der Macht heraus. Und es gibt einem ein gutes Gefühl. Wenn man etwas annimmt, fühlt man sich oft bedürftig. Wenn man Hilfe annimmt, fühlt man sich oft unterlegen.

Indem man den Menschen beibringt, dass Geben besser ist, macht man es denen, die etwas brauchen, noch schwerer, was irgendwie unfair ist. Geben mag sich angenehmer anfühlen als Nehmen, was aber nicht dasselbe ist wie besser sein.

Aber kommen wir noch einmal auf die Scham, die Schuldgefühle und das Gefühl der Unzulänglichkeit zurück, das oft damit einhergeht, dass man um etwas bittet oder etwas annimmt, was man braucht.

Woher kommt das?

Ein Teil davon ist die Annahme, dass wir uns selbst versorgen können müssen, was im Grunde genommen lächerlich ist. Ich baue meinen Weizen nicht an, mahle mein Getreide nicht, backe mein Brot nicht selbst. Ich brauche Menschen, die mein Essen und meine Möbel produzieren, die mein Auto reparieren und meine Gesundheit erhalten. Niemand würde von mir erwarten, dass ich das alles allein schaffe.

Du kannst jetzt  sagen: „Aber ich bezahle für diese Dinge!“, und das wäre sowohl wahr als auch unerheblich. Ja, ich bezahle für diese Dinge, aber ich brauche immer noch Leute, die sie herstellen, und ich brauche Leute, die mir ein Gehalt bezahlen. Wir könnten es also reduzieren auf: „Es ist in Ordnung, zu tauschen, aber ich muss etwas Gleichwertiges anbieten“. Und lass mich dir sagen: Nein, das musst du nicht.

Die Person, die dir etwas anbietet – Hilfe, Ratschläge, Bananenbrot, Freundschaft – weiß, ob sie sich dabei wohl fühlt oder nicht. Es sind erwachsene Menschen, die über ihre Ressourcen verfügen. Und du gibst immer etwas zurück.

  • Du bedankst dich.
  • Du gibst ihnen die Möglichkeit, sich gut zu fühlen, weil sie etwas Nettes getan haben.
  • Du öffnest dich ihnen.

Es erfordert Kraft und Vertrauen, Hilfe anzunehmen oder um Hilfe zu bitten.

Sei stolz auf dich, dass du erkennen kannst, wann du Hilfe brauchst, und dass du den Mut hast, darum zu bitten.

Übung 1: Erinnere dich an das letzte Mal, als du jemandem im Rahmen deiner Möglichkeiten geholfen hast. Wie hast du dich dabei gefühlt? Hast du dich dabei gut gefühlt? Vielleicht sogar stolz? Keine Sorge, niemand kann deine Gedanken hören, und selbst wenn sie es könnten: Es ist in Ordnung, stolz auf dich zu sein. Gut gemacht!

Frag dich jetzt: Würden sich deine Freund*innen gut fühlen, wenn sie dir helfen? Und nein, das ist nichts anderes, nur weil du es bist, der*die die Hilfe bekommt. Andere fühlen sich genauso gut, wenn sie etwas Nettes tun können, wie du.

Übung 2: Erinnere dich an das letzte Mal, als dir jemand geholfen hat. Schien es der Person etwas auszumachen oder sagte sie „kein Problem“ oder „gern geschehen“ und lächelte dich an? Hast du dadurch wertvolle Energie gespart? Hattest du danach ein schlechtes Gewissen? Ich fühle mich oft schuldig, wenn ich frage, aber nicht, nachdem ich Hilfe bekommen habe, weil ich dann sehe, dass es für die anderen „keine große Sache“ war. Wenn es bei dir ähnlich ist: Versuch, dies beim nächsten Mal im Kopf zu behalten.

Übung 3: Erinnere dich an das letzte Mal, als dir jemand gesagt hat, er*sie könne dir bei einer Sache nicht helfen. Hast du die Sache trotzdem erledigt? Gab es eine andere Person, die einspringen konnte? War es ein Drama? Ich vermute, dass du die Dinge erledigt hast. Wenn dich nun jemand um Hilfe bittet, die du nicht leisten kannst: Erinnere dich daran. Finde heraus, wie schlimm es wirklich wäre, wenn du nicht helfen würdest.

Übung 4: Erinnere dich an das letzte Mal, als du dich überfordert hast, während du entweder jemandem geholfen hast oder Hilfe anderer abgelehnt hast. Wie hast du dich dabei gefühlt? Hast du es später bereut? Hast du auf dich selbst geschimpft und mehr Energie verbraucht, als nötig? Stell dir nun vor, du hättest Hilfe angenommen oder gesagt, dass du nicht helfen kannst. Wärst du genauso erschöpft gewesen? Hättest du dich genauso schlecht gefühlt?

Es wird immer mal Situationen geben, in denen du dich ärgerst, Hilfe angenommen zu haben, weil vielleicht die Person, die dir hilft, die ganze Zeit schlechte Laune hat. Oder Situationen in denen du dich im Nachhinein ärgerst, nicht geholfen zu haben, weil dann doch einiges schief gelaufen ist.

Solche Dinge passieren. Und es ist scheiße, wenn es passiert. Die Chancen stehen gut, dass dies die Ausnahmen sind, und diese sollten dich nicht davon abhalten, dein bestes Leben zu leben. Du kannst nicht immer für alle da sein.

„Streng dich einfach mehr an“

Eine Therapeutin hat mir einmal etwas gesagt, was für mich ein echter Wendepunkt war.

Sie sagte: „Wenn du dich einfach nur mehr anstrengen müsstest, um dich besser zu fühlen, wäre es keine Depression“.

Das kann man umformulieren in „Wenn du dich nur mehr anstrengen müsstest, dann ginge es dir schon besser“.

Womit auch immer du zu kämpfen hast, mit Depressionen, Ängsten, Erschöpfung, Selbstzweifeln, Antriebslosigkeit, chronischen Schmerzen oder Krankheiten: Es geht nicht darum, dich mehr anzustrengen. Das war nie das Problem.

Wenn mehr anstrengen keine Lösung ist, was dann? Wäre es nicht schön, wenn ich auf diese Frage eine einfache Antwort hätte? Motivationsplakate sagen, man solle nicht härter, sondern intelligenter arbeiten, was ein guter Rat sein mag, aber auch etwas vage. Es gibt keine allgemeingültige Antwort, denn jeder Mensch ist anders und braucht andere Dinge.

Eines kann ich sagen: Versuch nicht, alles allein zu schaffen. Vor allem, wenn du mit psychischen Erkrankungen oder chronischen Schmerzen zu tun hast, kommt der Punkt, an dem du professionelle Hilfe brauchst. Dieses Buch ersetzt keine Therapie.

Ich habe sehr lange gebraucht, um zu akzeptieren, dass ich Hilfe brauche und dass die Dinge nicht von alleine besser werden, wenn ich mir nur mehr Zeit lasse und mich mehr anstrenge. Ich habe es dadurch schlimmer gemacht, so als wäre ich mit einem gebrochenen Fuß weitergelaufen. Das verzögert nicht nur die Heilung, sondern verursacht auch noch mehr Schaden.

Ich weiß, dass eine Therapie ein Privileg ist. Man braucht Zeit, Energie und jemanden, der dafür bezahlt, und das ist nicht immer die Krankenversicherung. Und ich weiß, dass man in dem Moment, in dem man sie am meisten braucht, das Gefühl hat, sie am wenigsten zu verdienen. Es wird dir auch nicht leicht gemacht, eine zu bekommen. Manche Anträge auf eine Therapie oder auf eine Reha werden beim ersten Versuch abgelehnt. Manchmal dauert es lange, bis man einen Therapieplatz findet, der passt. Manchmal sagen andere dir auch: „Aber ich kann nicht auf dich verzichten“ oder „Aber es scheint dir doch gut zu gehen“. Manchmal brauchst du alle Kraft, die du noch hast, medizinische Unterstützung und die Hilfe von Familie und Freund*innen, um es bis zu einer Therapie zu schaffen. Für mich war es die beste Investition in mich selbst, die ich je getätigt habe.

Andere Dinge sind zeitlich flexibler und in Bezug auf das Geld billiger, aber immer noch schwierig, wie zu lernen, weniger kritisch mit dir zu sein.

Du bist in eine alte Routine zurückgefallen? Das kommt vor.

Du hast es nicht geschafft, für dich selbst zu sorgen? Das kommt vor.

Was mir oft hilft, ist, mich selbst so zu behandeln, als wäre ich meine Freundin. Wenn ich traurig wäre und denke, ich könnte nichts richtig machen, dann mache ich Platz auf der Couch, gebe mir eine kuschelige Decke, frage mich, ob ich gegessen habe, und umarme mich. Ich sage mir, dass ich es morgen besser machen werde, dass alles gut ist und dass ich mich trotzdem liebe. Halt so, wie ich es mit einer Freundin machen würde.

Übung: Stell dir eine Person vor, die du sehr gern hast. Wenn diese Person sich so fühlen würde, wie du dich jetzt fühlst, was würdest du tun? Wie würdest du reagieren? Wie könntest du sie trösten? Wenn du dich nicht in der Lage fühlst, für diese Person eine Suppe zu kochen, schau einfach, ob du ein paar Kekse anbieten kannst. Willst du dir diese Mühe für dich nicht machen? Das ist der Grund, warum du dich selbst als deine*n Freund*in betrachten sollst. Mach dir die Mühe für deine*n Freund*in. Du weißt, dass er es wert ist.

Um glücklich zu sein, muss man jemand anderen glücklich machen

Nein, eigentlich nicht. Natürlich würde es mich glücklich machen, andere Menschen glücklich zu machen. Aber das ist nicht der einzige Weg.

Um glücklich zu sein, muss ich etwas tun, das mich glücklich macht. Das kann eine ganze Reihe von Dingen sein. Ich kann ein langes, heißes, knochenschmelzendes Bad nehmen. Ich kann leckeres Essen essen. Ich kann einen Spaziergang machen. Ich kann mich mit den kuscheligsten Sachen auf der Couch einmummeln, oder ein Nickerchen machen. Ich kann die Werbespots mitsingen, ich kann Unkraut jäten, ein Buch lesen, meine Haare färben, einen rosa-gelb gestreiften Frosch häkeln. Ich tue nicht alles davon, aber ich könnte. Bis auf das Häkeln.

Die Ausrichtung auf andere Menschen hat viele von uns überhaupt erst in den Schlamassel gebracht, in dem wir uns befinden. Immer andere glücklich machen, immer nützlich, funktional, fröhlich und bequem sein. Der Trick besteht darin, Dinge zu finden, die du tun kannst, die *dich* glücklich machen.

Ein Monat auf den Bahamas würde mich wahrscheinlich glücklich machen, aber das liegt außerhalb meiner Möglichkeiten, also würde mich der Gedanke daran wahrscheinlich nur traurig machen.

Ich weiß auch, dass in verschiedenen Situationen unterschiedliche Dinge unter sowohl „möglich“ als auch „macht mich glücklich“ fallen, weil meine Fähigkeiten und Bedürfnisse nicht immer gleich sind. Ich habe eine Liste an meiner Küchentür mit Dingen, die mich glücklich machen. Auch wenn ich nicht oft auf diese Liste schaue, kenne ich die Dinge darauf, weil ich mir die Zeit genommen habe, darüber nachzudenken und sie aufzuschreiben. Und es ist beruhigend zu wissen, dass ich, wenn ich mich völlig verloren fühle, einfach auf die Liste schauen und das auswählen kann, was mir gerade am besten gefällt. Auf meiner Liste stehen Dinge wie spazieren gehen, jemanden anrufen, Musik machen, malen, Yoga machen, ein Bad nehmen, einen schönen schwulen Liebesroman lesen und so weiter.

Übung: Erstell eine Liste der Dinge, die dir Freude bereiten. Denk dabei an die verschiedenen Stufen der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit. Es muss keine vollständige Liste sein. Du kannst immer etwas hinzufügen, etwas streichen. Füg mindestens eine Sache hinzu, die du fast immer tun kannst, wie ein paar Folgen deiner Lieblingsserie zu sehen, etwas, das wenig oder keine Vorbereitung und keine Energie erfordert, um es zu tun.

Wenn du lächelst geht es dir besser

Es gibt Studien, die besagen, dass Lächeln Endorphine freisetzt und dass man tatsächlich glücklicher wird, wenn man den Anschein erweckt, glücklich zu sein. Im Fall von „Ich habe gerade den verdammten Bus verpasst und musste laufen“ kann das durchaus funktionieren. Eine Änderung der Einstellung kann viel bewirken. Manche Menschen scheinen sich sehr gerne zu beschweren. Es ist kein Zfall, dass die gleichen Leute nie mit irgendetwas zufrieden zu sein scheinen.

Wenn man sich immer auf die Dinge konzentriert, die nicht funktioniert haben, ist es schwer, das Leben zu genießen. Manchmal reicht es schon, sich das bewusst zu machen und die Art und Weise, wie man reagiert, aktiv zu ändern. Die erste Reaktion könnte immer noch „verdammter Bus!“ sein, aber es ist deine Entscheidung, ob und wie du anderen von dem Vorfall erzählst. Du kannst es als Tragödie oder als Komödie erzählen. Wenn du anders darüber denkst, kannst du deine Gefühle beeinflussen.

In Fällen von Erschöpfung, Verzweiflung, Angst oder ernsthaftem Schmerz wird Lächeln die Dinge nicht verbessern. In solchen Fällen kann man nicht wirklich ändern, wie man über etwas denkt, man kann nur so tun, als ob man anders fühlt. Und das macht die Sache eher noch schlimmer, denn so zu tun, als ob es einem gut ginge, bewirkt zwei Dinge:

  1. es kostet Energie.
    Energie, die du derzeit nicht hast. Ich kann oft für andere so tun, als hätte ich gute Laune, aber wenn die Leute gegangen sind, fühle ich mich ausgelaugt.
  2. es lenkt von den eigenen Gefühlen ab.
    Oberflächlich betrachtet mag das eine gute Idee sein, denn wenn ich mich schlecht fühle, möchte ich mir dessen vielleicht nicht bewusst sein. Aber wenn ich mir dessen nicht bewusst bin, unternehme ich auch nichts dagegen. Andere im Unklaren zu lassen bedeutet auch, dass sie sich nicht auf meine Gefühle einstellen können, selbst wenn sie es wollten.

Wenn du im Dienstleistungssektor tätig sind, kannst du nur begrenzt ehrlich sein, wenn es um deinen aktuellen Zustand geht. Kund*innen wollen nicht vertröstet werden. Versuche, wenn möglich, im privaten Bereich oder bei befreundeten Kolleg*innen offen damit umzugehen, wie du dich fühlst. Das ist einfacher für dich und gibt anderen eine Vorstellung davon, wie viel du heute verkraften kannst.

Mach dir nicht zu viele Hoffnungen

Irgendwer sagt immer „mach dir nicht zu viele Hoffnungen“, oder „lass dich nicht zu sehr darauf ein“, damit du nicht enttäuscht bist, wenn es nicht klappt.

Vielleicht denkst du auch, dass es Unglück bringt, zu Hoffen oder an den Erfolg zu glauben. So wie ich. Allerdings deutet vieles darauf hin, dass eine positive Einstellung dazu beitragen kann, etwas zu erreichen. Der Glaube an etwas gibt Energie und erlaubt es, sich mit ganzem Herzen anstrengen, anstatt nur einen halbherzigen Versuch zu unternehmen.

Es gibt auch die sehr logische Überlegung, dass, wenn etwas nicht klappt, optimistische Menschen sich wenigstens vorher gefreut haben, sich vielleicht sogar schneller erholen, weil sie sich schneller wieder für etwas anderes begeistern können.

Ich weiß allerdings nicht, wie viele von denen, die das hier lesen, optimistisch sind. Ich bin es nicht. Ich muss hart arbeiten, um Hoffnung zu haben. Ich muss mich anstrengen, um meinen Enthusiasmus nicht zu dämpfen. Ich muss mich anstrengen, um positiv zu bleiben, geschweige denn mich für etwas zu begeistern.  Und alle, die mir „helfen“ wollen, indem sie mich davor warnen, zu optimistisch zu sein, zerstören diese positive Haltung, für die ich so hart gearbeitet habe.

Also bitte, mach dir Hoffnungen, wenn du kannst. Freu dich über Dinge. Häng dein Herz an etwas. Sicher, es könnte scheitern. Dann kannst du daraus lernen und beim nächsten Mal knapper scheitern. Oder es könnte gelingen, was fantastisch wäre.

So oder so ist es möglich und völlig erlaubt, die Reise zu genießen, unabhängig vom Ergebnis.

Übung: Fasten ist kein neues Konzept. Einige liebe Menschen in meinem Umfeld nutzen das nicht als Verzicht auf bestimmte Lebensmittel, um den Körper zu reinigen, sondern um eine Zeit lang auf Fernsehen oder soziale Medien zu verzichten, was gut für den Geist sein kann. Jetzt habe ich gehört, dass jemand plant, ein paar Wochen lang auf Pessimismus zu verzichten.

Anders als das Essen bestimmter Lebensmittel oder das Einschalten des Fernsehers sind Gedanken unwillkürlich. Man kann sie also nicht einfach abstellen. Und ein paar Wochen sind eine verdammt lange Zeit. Aber wenn das etwas ist, womit du dich schwer tust, sag vielleicht „die ersten zwei Tage eines Monats“?

Und vielleicht fängst du damit an, in dieser Zeit, wann immer pessimistische Gedanken auftauchen, aktiv zu versuchen, dich an einen Moment zu erinnern, in dem dir etwas gelungen ist, das dich glücklich gemacht hat? Oder etwas schönes getan hast? Kleine Schritte zählen. Der Vorsatz zählt. Es wird nicht leicht sein, und es wird Übung und Geduld erfordern, aber es könnte einen Versuch wert sein.

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