Warum ist es einfacher, anderen zu helfen als sich selbst?

Es fällt mir leicht(er), für jemand anderen einen Stapel Geschirr zu spülen. Oder anderen beim  Putzen oder einem Umzug zu helfen.

Mein eigenes Geschirr spülen? Meine Wäsche weglegen? Das ist im Vergleich hart.

Ich glaube, ich verstehe langsam, warum das so ist, und das könnte mir helfen, mir selbst besser zu helfen.

Ich will damit nicht sagen, dass es schlecht ist, anderen zu helfen. Es wäre nur schön, wenn es genauso einfach wäre, mir selbst zu helfen.

Meine interne Bewertung

Einmalig vs. nie erledigt

Wenn ich jemandem helfe, ist es immer eine einmalige, punktuelle Hilfe. Ich sehe einen Haufen Geschirr und spüle es. Ich habe das gute Gefühl zu wissen, dass das fertig ist und ich jemandem geholfen habe.

Mein eigenes Geschirr ist nie eine einmalige Sache. Schmutziges Geschirr taucht schnell wieder auf. Das Gefühl, das erledigt zu haben, hält also immer nur so lange an, bis wieder welches herumsteht.

Auch in der Küche anderer Leute taucht wieder schmutziges Geschirr auf, aber ich sehe es nicht. Und selbst wenn ich es sehen würde, wäre es nicht meine Aufgabe, mich darum zu kümmern.

Jemand anderem zu helfen ist also eine endliche Sache, während meine eigenen Aufgaben endlos sind, da sie nie erledigt bleiben.

Es ist kein Wunder, dass in diesem Fall mein Gefühl dabei, anderen zu helfen, besser ist als mein Gefühl, mir selbst zu helfen.

Sieg vs. Niederlage

Wenn ich eine einzige Aufgabe für jemand anderen erledige, bringe ich Rettung. Ich springe ein und erledige alles. Ich besiege die Aufgabe.

Wenn ich aber nur eine einzige Aufgabe für mich erledige, bleiben viele andere Aufgaben unerledigt. Ich habe in letzter Zeit gelernt, mich über die Dinge zu freuen, die ich erledigt habe, anstatt all die Dinge aufzuzählen, die noch übrig sind. Wenn ich mir den Stapel der unerledigten Dinge ansah, fühlte ich mich immer, als hätte ich gegen meine Liste verloren.

Um bei dem vorherigen Beispiel zu bleiben: Wenn ich das Geschirr von jemand anderem abwasche, erringe ich einen Sieg. Wenn ich mein eigenes Geschirr abwasche, nehme ich mir nicht die Zeit, dieses Gefühl zu genießen, sondern gehe sofort zu „das muss auch noch gemacht werden“ über.

Auch in dieser Hinsicht fühlt es sch so viel besser an, anderen zu helfen.

Dank vs. Erschöpfung

Warum nicht beim Abwasch bleiben? Wenn ich für jemand anderen abwasche, bekomme ich ein Dankeschön. Das ist sehr erfreulich. Vielleicht bekomme ich sogar einen Tee und einen Keks. Das ist auch schön.

Wenn ich mein eigenes Geschirr abwasche, bekomme ich keinen Dank. Ich werde nur müde. Und wenn ich Tee möchte, muss ich ihn selbst kochen.

Das ist der dritte Grund, warum es sich so viel mehr lohnt, anderen zu helfen. Deshalb fühlt es sich so viel besser an.

„Ändere einfach deine Perspektive.“

Wenn es so einfach wäre, würden es alle machen, und ich würde dieses Kapitel nicht schreiben.

Für mich bestand der erste Schritt darin, herauszufinden, warum es sich so viel einfacher und lohnender anfühlt, Dinge für andere zu tun. Die folgenden Schritte sind bisher vor allem Theorie, denn ich habe gerade erst mit diesem Teil der Reise begonnen.

Schritt 1: Bedank dich bei dir

Ich habe begonnen, mir für Dinge zu danken, die ich für mich tue.

Dafür ist es hilfreich zu erkennen, was ich für mich selbst tue. Ich sage also

„Danke, dass du für mich abgewaschen hast.“

„Danke, dass du das Abendessen vorgekocht hast.“

„Danke, dass du die Wäsche weggeräumt hast, damit ich das morgen nicht machen muss.“

Das klingt seltsam, zumindest für mich, aber ich gewöhne mich langsam daran, vielleicht nicht an die Worte, so doch an das Gefühl. All die Dinge zu würdigen, die ich für mich tue, macht mich glücklich, lässt mich stolz auf meine Leistungen sein und lässt mich auch all die Dinge erkennen, die ich ständig tue. Selbst wenn es etwas ist wie „Danke, dass du auf deinen Körper hörst und dich einfach ausruhst“.

Übung 1: Denk an die Dinge, die du für dich selbst tust. Stell dir vor, jemand anderes würde sie für dich tun. Wärst du dankbar? Kannst du deine eigenen Bemühungen ebenso schätzen?

Übung 2: Versuch, dich für die Dinge zu bedanken, die du tust. Es wird sich wahrscheinlich seltsam anfühlen. Für mich ist es jedoch ein Unterschied, ob ich nach einer Aufgabe genervt und erschöpft auf der Couch zusammenbreche oder ob ich mir einen Moment Zeit nehme, um mir zu danken und mich darüber zu freuen, dass ich es geschafft habe, bevor ich zusammenbreche.

Manchmal hilft es, eine Geste hinzuzufügen, um das Gefühl des Dankens zu verankern. Du kannst zum Beispiel eine Hand auf dein Herz legen, um zu spüren, wie es einen Moment lang schlägt, bevor du dich bedankst, und so dem Moment zusätzlichen Nachdruck verleihen. Oder deine Hand schütteln.

Übung 3: Belohne dich für eine erledigte Aufgabe. Das könnte der Tee oder der Keks sein, den du von anderen bekommen hättest. Es kann das Lesen eines Kapitels sein. Es kann sein, dass du eine weitere Folge der Serie siehst, die du magst. Es kann jede Form von Qualitätszeit sein. Aber tapp nicht in die Falle, dir diese Dinge nur als Belohnung zu gönnen. Selbstfürsorge, Freude und Zeit für dich selbst sind notwendig, kein Bonbon für gutes Verhalten.

Schritt 2: Wertschätzen, was ist

Ich habe To-Do-Listen. Jede Menge. Getrennte Listen für verschiedene Themen. Dinge, die in meiner Wohnung zu tun sind, Dinge, die ich am Computer erledigen muss, Dinge, die ich einkaufen muss, Dinge, die ich klären muss, Dinge, die ich erledigen muss. Immer, wenn ich etwas auf einer Liste abhake, sehe ich, was noch übrig ist.

In dem Bemühen, nicht auf all die unerledigten Dinge zu schauen, sondern stattdessen zu schätzen, was ich geschafft habe, habe ich begonnen, einer Freundin zwischendurch Nachrichten mit den Dingen zu schicken, die ich erledigt habe. Oder am Abend eine mit einer Liste all der Dinge, die ich geschafft habe.

Ihre Antwort ist immer eine Variante von „Das ist eine Menge. Gut gemacht“.

Das hilft mir, mir bewusst zu machen, wie viele kleine Dinge ich jeden Tag tue, und zu schätzen, dass sich dies summiert. Es ist auch schön, eine Bestätigung von außen zu bekommen.

Übung: Notier die Dinge, die du erledigt oder angefangen hast. Nur diese. Wenn du Dinge notieren willst, die du noch erledigen musst oder willst, schreib sie woanders auf. Sieh dir deine Liste an und sag dir: „gut gemacht“.

Bonusübung: Bitte jemanden um Unterstützung. Du kannst die Dinge teilen, die du geschafft hast. Es kann helfen, dir jemanden zu suchen, der sich in einer ähnlichen Situation befindet wie du selbst. Sich mit einem energiegeladenen Überflieger zusammenzutun, kann sich als frustrierend erweisen. Andererseits – wenn so jemand sagt, dass du es gut gemacht hast, kannst du dir sicher sein, dass du es gut gemacht hast, auch wenn du immer noch denkst, dass es nicht viel war.

Schritt 3: Den Augenblick schätzen

In einem Haushalt bleiben viele Aufgaben nicht lange erledigt. Abwasch, Wäsche, Einkaufen, Putzen, Buchhaltung, Korrespondenz – manchmal denke ich, dass ich höchstens dafür sorgen kann, dass sich das alles nicht zu sehr aufstaut.

Und angesichts der Natur dieser Dinge ist das auch das Einzige, was ich tun kann.

Was frustrierend klingen mag, kann auch befreiend sein: Ich versuche zu akzeptieren, dass die Dinge nicht erledigt bleiben. Es ist nicht meine Schuld, dass die Aufgaben immer wieder auf meiner Liste auftauchen. Ich habe sie richtig gemacht. Es ist ein bisschen wie mit dem Atmen. Selbst wenn ich den tiefsten Atemzug der besten Luft aller Zeiten nehme – ich werde nicht mit dem Atmen fertig sein. Und das ist gut so. Ich mache mir dafür keine Vorwürfe.
Dieser eine tiefe Atemzug kann sich immer noch großartig und beruhigend anfühlen.

Ich versuche also, Dinge wie das Aufräumen der Küche oder die Erledigung meines Papierkrams wie diese tiefen Atemzüge zu sehen. Denn jetzt, in diesem Moment, ist die Sache erledigt oder zumindest verbessert. Für den Moment ist das genug.

In der Zukunft wird die Aufgabe immer wieder auftauchen. Aber das ist später. Jetzt ist es an der Zeit, zu schätzen, wie weit ich gekommen bin. Das ist etwas, woran ich wirklich arbeiten muss.

Übung: Erledige eine Sache. Es braucht keine große Sache zu sein. Vielleicht kannst du nur die Socken vom Boden in den Wäschekorb bringen. Schau dir die Stelle an, an der die Socken noch kurz zuvor herumgelegen haben.

Atme tief durch und genieß die Abwesenheit von etwas, das dich bisher gestört hat. Es ist jetzt besser, als es war. Besser ist gut. Und in vielen Fällen ist besser für den Moment genug.

Sag es dir selbst: „Das ist besser. Ich war gut.“

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